Freitag, 30. Januar 2009
Der Tod auf Eis und Schnee
Trotz sogenannter "Verbesserungen" am berüchtigten Iditarod-Schlittenhunderennen, das auch diesen März wieder in Alaska stattfinden wird, werden Hunde noch immer zu Tode geschuftet. Jahr für Jahr müssen Hunde—mal einer, meist aber mehrere—dran glauben, und unzählige weitere werden verletzt.
Man zwingt die Hunde im Schnitt vier bis fünf Stunden am Stück zu laufen, mit so kurzen Verschnaufpausen, dass diese den Namen eigentlich nicht verdienen. Die Hunde sind beißenden Winden, blendenden Schneestürmen, Temperaturen unter dem Gefrierpunkt und Stürzen durch trügerisches Eis in schneidend kaltes Wasser ausgesetzt. Ihre Füße erleiden Blutergüsse und bluten, aufgeschnitten vom Eis und von der schlichten Überforderung der unvorstellbaren Entfernungen, die sie zurücklegen. Viele Hunde erleiden Muskelrisse oder Belastungsbrüche oder werden krank, bekommen Durchfall, leiden an Dehydrierung, Magen-Darm-Viren oder blutenden Magengeschwüren, (letzteres vermutlich als Nebenwirkung des übermäßigen Einsatzes von Aspirin während der Rennen, das es verletzten Tieren ermöglicht, weiterzumachen, nur um sich letztlich noch schwerere Schäden zuzuziehen). Eine Hündin hat sich in einem der früheren Jahre in ihren Geschirr-Riemen erdrosselt; eine andere wurde bei Nacht von einem Ast getroffen, aber rannte immer weiter, bis sie an ihren Verletzungen starb.
Mindestens ein bis zwei Hunde sterben jedes Jahr, doch manchmal sterben mehr als ein Dutzend, gewöhnlich an durch Stress verursachter Lungenentzündung, Magengeschwüren oder dem "plötzlichen Tod-Syndrom"—weil sie sich buchstäblich zu Tode rennen. Etwa ein Drittel der 1.500 Hunde, die beim Rennen an den Start gehen, werden ausgeflogen, weil sie krank werden, sich verletzen oder erschöpft sind. Viele der Hunde brechen an der Ziellinie zusammen, und viele kommen tagelang nicht mal auf die Beine, um zu essen.
Und das sind nur die Verlierer während des Rennens. Hinter den Kulissen des alljährlichen Spektakels zahlen die Hunde, die den Anforderungen nicht entsprechen, einen hohen Preis. Um ein erfolgreiches Rennteam aufrechtzuerhalten, braucht man neues Blut, und nicht jeder Welpe wird als Champion geboren. Die unglückseligen "Minderwertigen" zahlen den Preis dafür, nicht so monumental leistungsfähig und schnell zu sein, womöglich mit ihrem Leben.
Der zweifache Iditarod Musher Frank Winkler machte 1991 Schlagzeilen, als er einen Wurf Welpen "erlegte", indem er zunächst mit einem Axtgriff auf sie einknüppelte, und als sich das als nicht hundertprozentig erfolgreich erwies, sie erschoss und auf die Ladefläche seines Pickups warf. Einige Welpen schafften es trotz allem zu überleben, und ihr Wimmern wurde von einem Nachbarn gehört. Später, als er sich in 14 Fällen wegen Tierquälerei verantworten musste, behauptete Winkler, man habe ihm gesagt, Welpen totzuknüppeln und zu erschießen sei "gängige Praxis" in Hundeschlittenrennkreisen, und behielt den Standpunkt fest bei, er könne sich den Preis für eine humane Euthanasie mittels tödlicher Injektion nicht leisten—und offensichtlich auch nicht die $1 Abgabegebühr beim nächstgelegenen Tierheim. "Ich hatte gehört, man bringt sie nicht in Tierheime zum Einschläfern“, meinte er. "Man macht das selbst."
Sie meinen, das Umbringen gehört der Vergangenheit an? Das Rennen im Jahr 2007 fand während extremer Wetterbedingungen statt, darunter Windgeschwindigkeiten von 90 – 120km/h, Whiteouts (extreme Helligkeit, die bei dünner Bewölkung und einer Neuschneeauflage zu beobachten ist) und Temperaturen von bis zu -35°C. Drei Hunde starben und einer war 11 Tage lang vermisst. Snickers, eine 6 ½ Jahre alte Hündin, starb an Blutverlust, nachdem ein Magengeschwür anfing zu bluten. Thong, ein 3-jähriger Rüde verstarb an akuter Lungenentzündung. Der „musher“ Ramy Brooks wurde vom Rennen disqualifiziert, nachdem Berichte laut wurden, er würde alle seiner 10 Hunde schlagen, wenn sie ein vereistes Stück auf der Strecke erreichten und sie nicht mehr weiterliefen. Einen Tag nach diesem „Vorfall“ starb Kate, eine von Brooks Hunden aus „ungeklärter Ursache“. Die drei toten Hunde stehen nun mit auf der Liste der mindestens 130 Tiere, die im Iditarod seit Anbeginn der Aufzeichnungen des Rennens litten und starben.
Vor einigen Jahren fand man acht junge Huskies außerhalb von Fairbanks, Alaska, totgeschlagen im Schnee. Die große Zahl an Hunden, ihre Rasse und ihr Alter lassen die Behörden vermuten, dass der Täter ein Musher war.
Der Gewinner des Iditarod 1994, Martin Buser, bestätigte, dass dies vermutlich der Fall sei, denn er sagte: "[eine] Menge Leute fangen mit dem ... Mushing an, ohne sich klar zu machen, dass dies bedeutet, ein verantwortungsbewusster Mehrfach-Hunde-Besitzer zu sein."
Buser behauptet, dass Vollzeit-Musher nicht "diese Art" von Tötung praktizieren, aber töten tun sie schon. Ein Musher vergleicht es mit dem "Jäten eines Gartens" und in Dog Driver: A Guide for the Serious Musher sprechen die Autoren folgende Empfehlung aus: "Bringen Sie den Hunden bei, die volle Leistung zu bringen, wann immer Sie es von ihnen verlangen, nicht nur dann, wenn sie Lust dazu haben. Wenn ein Hund nicht hat, was es braucht für diese volle Leistung, sollte er nicht bestraft sondern getötet werden." Musher wollen uns gerne glauben machen, dass alle aussortierten Hunde ein glückliches Zuhause irgendwo im großen weißen Norden finden. Aber seien wir mal realistisch. Wie viele Menschen im spärlich bevölkerten Alaska verlangen nach einem Schlittenhund, der als solcher nicht gut ist? Wie viele dieser Hunde landen in den Händen der absoluten Greenhorns, die Mr. Buser verurteilt? Wie viele kommen in Tötungsstationen um, oder noch schlimmer: verbringen den Rest ihres Lebens draußen an der Kette in Kälte und elender Einsamkeit—die echte Definition von Hölle für ein Tier, das von Natur aus ein soziales Rudeltier ist?
Und was diese "verantwortlichen" Musher angeht, nahm Susan Butcher, möglicherweise die beste, ihren Abschied vom Iditarod, als sie erfahren musste, dass selbst sie, die häufig von den anderen Mushern belächelt wurde, weil sie ihre Hunde "verwöhne" (d.h. sanft zu ihnen sprach und sie nachts drinnen schlafen ließ), einen Hund beim Iditarod-Rennen zu Tode trieb. Musher behaupten gerne, dass sie ihre Hunde gut behandeln müssten, um zu gewinnen. Aber als Susan Butcher das Iditarod 1991 verlor, nachdem sie ihren Hunden zugestanden hatte, einen besonders schlimmen Sturm auszusitzen, sagte ihr Erzrivale Rick Swenson, der sein Team durch den Blizzard trieb, gegenüber den Reportern bissig, sie sei "zu weich". Tatsächlich glauben traditionelle Musher, so das Magazin USA Weekend, dass Bestrafung ihren Hunden "Charakter" einflößt. Und als die US-amerikanische Tierschutzvereinigung HSUS vorschlug, man möge die Regeln ändern und Hunden längere Ruhephasen zugestehen, sagte der Iditarod Verantwortliche und Langzeit-Musher Joe Redington gegenüber dem Wall Street Journal, dass er "ihnen einen Brief geschrieben habe und ihnen gesagt habe, sie mögen sich zur Hölle scheren."
Die Bewohner Alaskas selbst haben Vorbehalte gegen das Iditarod Rennen; viele sind der Ansicht, ihre Pionier-Vorfahren wären entsetzt gewesen, müssten sie die Bestrafung mit ansehen, die die heutigen Hunde erleiden. Ein Musher, der liegen geblieben war, nachdem 15 seiner Hunde während der Nordwest-Passagen-Expedition 1992 gestorben waren, wurde vermutlich vor dem Tod gerettet von einem Inuit Jäger, der – weil er mehr gesunden Menschenverstand für und Respekt vor der kapriziösen Wildnis des Nordens zeigte – ein Snowmobil fuhr. Margaret Mespelt, Einwohnerin von Alaska seit 1929, sagte gegenüber einem Reporter: "Wir kannten Leonard Seppala [einen der Musher der historischen Diphtherie-Serum-Rettungsmission von 1925, nach dem das Iditarod benannt wurde], und er würde sich in seinem Grab umdrehen, wenn er wüsste, was hier vor sich geht." Ironischerweise war das Originalrennen geradezu sanft gegenüber dem heutigen Rennen, denn es umfasste kaum die halbe Entfernung —1.084 Kilometer—und bestand aus einer Staffel von 20 Teams. Heute wird das Iditarod immer häufiger von wohlhabenden Nicht-Ureinwohnern betrieben—nur ein Einheimischer aus Alaska fand sich am Start. "Für mich ist das Iditarod nur ein weiteres Stück falsche Alaskana", schrieb der Kolumnist der Anchorage Daily News, Mike Doogan. "[Es ist] eine Art gigantischer, angemalter Goldsieb mit Pfoten."
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