Freitag, 6. Februar 2009

Artgerechte Hundehaltung


Dies ist ein Gasteintrag von der Autorin und Hundetrainerin Clarissa v. Reinhardt (www.animal-learn.de).

Ein viel strapaziertes Wort in der Hundeszene ist „artgerecht“. Artgerechtes Hundetraining, artgerechte Fütterung, artgerechte Spiele, artgerechte Haltungsbedingungen... Dieses Wort ist die wahrscheinlich größte Mogelpackung der Beziehung zwischen Mensch und Hund überhaupt. Keiner von uns, bemüht er sich auch noch so redlich, kann einen Hund artgerecht halten. Was hieße das denn?

Der Hund ist ein Rudeltier. Eine Solitärhaltung würde sich also von vornherein verbieten. Wir hätten demnach mehrere Hunde, die selbstverständlich unkastriert sind und sich ihren Sexualpartner frei wählen können. Oder haben Sie schon mal etwas von „artgerechter Kastration“ gehört (http://petasdogblog.blogspot.com/2008/12/schnipp-schnapp-eine-kastration-ist-gar.html)? Unsere Haustür steht Tag und Nacht offen und die Hunde können kommen und gehen, wann sie wollen. Inklusive des freien Rechts darauf, nicht wiederzukommen, wenn wir sie nicht so behandeln, dass sie Lust dazu haben. Sie streifen artgerecht (!) im Rudel durch die Gegend und organisieren sich Nahrung. Sei es auf einer angrenzenden Mülldeponie oder auch durch Jagen und Erlegen von Beute. Da würde sich dann das Wild in den angrenzenden Wäldern, oder auch das Meerschweinchen, das sich im Freigehege in Nachbars Garten tummelt, anbieten.

Bei dieser Beschreibung wird schnell klar, dass wir weit davon entfernt sind, Hunde artgerecht zu halten. Das ist in einem mitteleuropäischen Industriestaat auch nicht möglich. Abgesehen davon ist die Vorstellung auch deshalb geradezu absurd, weil kaum ein anderes Lebewesen auf dieser Welt derartig fremdbestimmt durch uns Menschen ist, wie der Hund. Er darf spazieren gehen, wenn wir mit ihm raus gehen, aber natürlich nur in die von uns vorgegebene Richtung. Er bekommt zu fressen, was wir ihm vor die Nase setzen – und meistens ist das nicht das, was ein Hund sich wünschen würde. Oder glauben Sie, wenn ein Hund wählen könnte, würde er sich für trockenes, krümeliges Zeug in seinem Napf entscheiden, statt frisches Fleisch zu nehmen? Abgesehen davon würde er mit Sicherheit auch nicht jeden Tag dasselbe fressen wollen... Artgenossen darf er nur dann treffen, wenn wir es ihm erlauben und zu den Zeitpunkten, zu denen wir es nicht erlauben, zerren wir ihn ungeduldig weiter. Seine Sexualität wird verleugnet oder durch unsere Zuchtbestrebungen reglementiert. Auch ihre von der Natur über Jahrtausende angelegten Instinkte wollen wir Hunden in den meisten Fällen „abtrainieren“ und scheuen dabei auch nicht vor Strafe über Schmerzeinwirkung oder den Einsatz von Schreckreizen zurück. Manche Menschen gehen sogar so weit, selbst das Urinieren und Koten eines Hundes durch Signalwörter zu kontrollieren. Und da sprechen wir Menschen von artgerechter Hundehaltung?!

Im besten Falle können wir uns bemühen, dem uns anvertrauten Hund in seiner Art so gerecht wie möglich zu werden. Das erfordert die Bereitschaft, wirklich über Hunde zu lernen, sich in sie hineinzuversetzen, so gut wir können und das ehrliche Bemühen um Kommunikation mit ihnen. Und Kommunikation bedeutet nicht, ihnen dauernd Kommandos zu geben. Stellen Sie sich vor, ich würde zu Ihnen sagen: „Zieh die Jacke aus. Setz Dich da hin. Bring mir diesen und jenen Gegenstand.“ Das ist keine Kommunikation die es zulässt, dass man ein anderes Lebewesen wirklich versteht und eine gute Bindung zu ihm aufbaut.

Starten Sie die Kommunikation mit Ihrem Hund mit einem Lächeln – so wie Sie es einer Person gegenüber tun würden, von der sie möchten, dass Sie sich in Ihrer Gegenwart wohl fühlt. Seien Sie so etwas Ähnliches wie ein guter Gastgeber. Bemühen Sie sich, die Wünsche und Bedürfnisse Ihres Gastes zu erspüren und zu berücksichtigen. Machen Sie einen interessanten Spaziergang mit ihm, auf dem Sie ihm die besonders netten Orte Ihrer Umgebung zeigen und servieren Sie ihm ein schmackhaftes Essen. Seien Sie dabei höflich und freundlich – und stellen Sie dabei trotzdem ganz nebenbei und mit gleicher Höflichkeit, aber auch Bestimmtheit die Regeln in Ihrem Hause klar, von denen Sie selbstverständlich wünschen, dass sie respektiert und eingehalten werden. Dies machen Sie über eine souveräne Ausstrahlung klar, ohne unnötig streng oder bestimmend zu werden. Wenn Sie sich Ihrem Gast – oder Ihrem Hund gegenüber – so verhalten, wird er sich wohl bei Ihnen fühlen.

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