Donnerstag, 23. April 2009

Bindung

Dies ist ein Gasteintrag von Hundeexpertin und Autorin Clarissa von Reinhardt - vielen lieben Dank! www.animal-learn.de


Auch so ein Wort, das dem ambitionierten Hundehalter auf Schritt und Tritt begegnet, wobei diese Bindung natürlich „gut“ sein soll. Kein Fachbuch, kein Erziehungsvideo, kein Vortrag, bei dem es nicht um die gute Bindung des Hundes zu seinem Menschen geht.

Dabei fällt mir auf, dass es dabei immer um eine einseitige Beziehung zu gehen scheint. Der Hund soll eine gute Bindung an seinen Menschen haben. Aha. Und wie ist das mit der guten Bindung des Menschen zu seinem Hund? Eine Beziehung sollte niemals einseitig sein, schon gar nicht, wenn man sich zum Ziel setzt, eine aufrichtige und gute Beziehung zu führen. Bevor wir also eine gute Bindung unseres Hundes zu uns anstreben, sollten wir kurz innehalten und uns fragen, wie es eigentlich um unsere Bindung zu unserem Hund bestellt ist. Welche Rolle spielt er in unserem Leben? Welche darf er spielen? Warum haben wir ihn bei uns aufgenommen oder „angeschafft“, um ein unschöneres Wort zu verwenden. Anschaffen tut man normalerweise Dinge, nicht Partner... warum also? Nicht immer ist bei ehrlicher Stellungnahme die Suche nach einer von gegenseitigem Respekt getragenen Beziehung zweier unterschiedlicher Lebewesen die Antwort. Menschen schaffen sich Hunde an, um ihr Ego zu befriedigen, um Geld mit ihnen zu verdienen, sich der Natur ein Stück verbundener zu fühlen oder sie für sich arbeiten zu lassen. Letzteres wäre übrigens an sich gar nicht verwerflich, wenn die Hunde trotzdem respektvoll und ihrer Art so gerecht wie möglich gehalten würden – was aber leider nur äußerst selten der Fall ist. Aber trotzdem erwarten wir von unseren Hunden ganz selbstverständlich, dass sie eine gute Bindung zu uns haben sollen.

Diese gute Bindung wird dann daran gemessen, wie gut der Hund seine Kommandos befolgt. Immer wieder höre ich Trainer zu Kunden sagen, ihr Hund hätte eine ganz schlechte Bindung an sie, weil er beim ersten oder zweiten Mal rufen nicht kommen würde. Was für ein Quatsch! Was hat denn eine gute Bindung mit der Frage zu tun, ob ein Hund seine Kommandos befolgt???

Ich kenne viele Hunde, die super gehorchen, alle Kommandos sofort und richtig ausführen – und ihre Menschen fürchten. Und ich kenne viele Hunde, die ihre Menschen wirklich lieben – aber sich nicht im Geringsten um deren Anweisungen scheren. Das eine hat mit dem anderen nichts, oder zumindest nur sehr wenig zu tun. Ein Beispiel: Nehmen wir an, Sie würden in einem Betrieb arbeiten und Ihr Chef gibt Ihnen eine Arbeitsanweisung. Sie erledigen diesen Auftrag sofort und gut. Sagt das etwas darüber aus, ob Sie Ihren Chef mögen? Nein. Es könnte sein, dass Sie einfach der Typ Mensch sind, der Befriedigung darin findet, an ihn gestellte Arbeitsaufgaben gut und schnell zu erledigen. Es könnte aber auch sein, dass Sie den Auftrag nur deshalb so zuverlässig und zur vollsten Zufriedenheit Ihres Arbeitgebers erledigt haben, weil der ein Tyrann ist, der sonst seine Launen an Ihnen auslässt. Betrachten wir es auch noch anders herum. Nehmen wir an, der Auftrag blieb tagelang liegen und erst als Ihr Chef sie mehrfach und schließlich nachdrücklich erinnert ihn zu erledigen, tun Sie Ihre Arbeit. Heißt dies, dass Sie Ihren Chef nicht mögen? Nein, nicht unbedingt. Vielleicht finden Sie ihn sogar ausgesprochen nett, aber Sie haben einfach keine Lust, diese Aufgabe zu erledigen oder Sie wissen nicht, wie Sie es anpacken sollen.

Ich denke manchmal, dass es vielen Hunden ähnlich ergeht. Wir erwarten alles Mögliche von Ihnen und machen ihre „Dienstbeflissenheit“ zum Gradmesser ihrer Zuneigung zu uns. Dabei verhalten wir uns dann oft auch noch so, dass sie die Aufgabe nicht lösen können, oder sie haben noch gar nicht verstanden, worum es geht.

Ich will Ihnen ein Beispiel dafür nennen. Vor einiger Zeit gab ich einen Workshop zum Thema „Tricks und Spiele“, an dem auch ein Mann mit seinem großen, sechsjährigen Mischlingsrüden teilnahm. Die an dieses Team gestellte Aufgabe bestand darin, dass der Mann einen Kong für den Hund verstecken sollte, den dieser dann suchen und – nachdem er ihn gefunden hat – zu seinem Menschen tragen sollte. Der Hund sah zu, wie der Mann in Richtung eines großen Baumes ging, dort irgendwo den Kong versteckte und zurück kam. Dann durfte der Hund loslaufen und suchen. Er sauste mit hoher Motivation los, fand den Gegenstand nach kurzem Suchen, rannte zurück in unsere Richtung, verlangsamte kurz, als er nur noch ca. 20 Meter von uns entfernt war und brachte dann den Kong – zu mir. Wir wiederholten die Übung und wieder brachte der Hund mir den gefundenen Gegenstand, nicht seinem Herrchen. Der zuckte nur die Schultern und sagte, er kenne dieses Verhalten schon, immer bringe der Hund Dinge zu jedem anderen, aber niemals zu ihm. Selbst dann nicht, wenn er ihn freundlich auffordernd darum bat. Er habe halt eine schlechte Bindung zu ihm und er wisse einfach nicht, wie er diese noch verbessern könne. Ich dachte nach. Das sonstige Verhalten des Hundes ließ nicht auf eine schlechte Bindung schließen. Setzte sich sein Herrchen zum Beispiel irgendwo hin, kam der Hund und setzte oder legte sich neben ihn. Meistens hielt er dabei sogar Körperkontakt, indem er sich an ihn anlehnte oder seine Pfote auf dem Schuh seines Herrchens ablegte. Wenn die beiden spazieren gingen, blieb der Hund in der Nähe und hielt regelmäßig Blickkontakt. Er forderte ihn sogar zum spielen auf, indem er ihn übermütig mit der Schnauze anstupste. Das alles passte nicht zu der Idee einer schlechten Bindung. Aber der Hund wollte seinem Menschen eindeutig nicht Dinge bringen, selbst wenn sein Herrchen diese extra für ihn ausgelegt hatte, obwohl er mit offensichtlicher Begeisterung loslief und diese auch stolz trug, wenn er sie gefunden hatte. Es musste also an etwas anderem liegen. Es musste etwas sein, was ganz genau mit dieser Situation zu tun hatte und den Hund davon abhielt, mit einem Gegenstand zu seinem Herrchen zu gehen, obwohl dieser nicht streng war, was ja manche Hunde davon abhält, zu ihren Menschen zu kommen. Interessant war noch, dass der Hund zuverlässig auf Zuruf kam – solange er nichts im Fang hatte. Nach einigem Ausprobieren fand ich heraus, woran es lag und es hatte rein gar nichts mit der Bindung des Hundes an seinen Menschen zu tun. Der Mann freute sich derartig, wenn der Hund ihm doch mal etwas brachte, dass er ihn dann immer am Kopf hielt, diesen vor Begeisterung ganz doll durchwuschelte und den Hund dabei fest an sich drückte. Das war es! Der Hund konnte das einfach nicht ausstehen. (Was ich übrigens gut verstehen kann, denn wenn mich jemand ganz fest an sich drücken und dabei meine Haare zerwuscheln würde, wäre ich auch nur wenig begeistert.) Ich erklärte dem Mann also, dass er sich anders verhalten müsse und gab ihm den Tipp, den Hund leise und ruhig zu loben und ihn an der seitlichen, ihm zugewandten Körperseite zu streicheln. Den Kopfbereich solle er dabei ganz aussparen. Seit er das so macht, bringt sein Hund ihm alle Gegenstände.

In Zusammenhang mit dem Begriff der guten Bindung gibt es übrigens ein interessantes Phänomen. All diese vielen Bücher und Videos, all die vielen Ermahnungen der Trainer, dass sie unbedingt da sein müsse, sonst würden auch die besten Trainingstipps und Tricks nichts helfen... und kein einziger Hinweis darauf, wie wir Menschen uns diese gute Bindung überhaupt erarbeiten können. Wie gewinnen wir denn das Vertrauen unseres Hundes? Wie erreichen wir, dass er sich uns freiwillig anschließt und gern mit uns zusammenarbeitet? Sicher nicht darüber, dass wir ihn ständig mit Kommandos und Verboten bombardieren.

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