Diese Woche haben wir wieder einmal einen Gasteintrag der Autorin und Hunde-Expertin Clarissa von Reinhardt für Sie. Weitere Infos finden Sie auch unter www.animal-learn.de!Bienen stechen, Katzen kratzen, Pferde schlagen aus – und dürfen das. Es ist bekannt und akzeptiert. Schon kleinen Kindern bringt man bei, sich diesen Tieren gegenüber vorsichtig und umsichtig zu verhalten, sie nicht zu erschrecken oder zu provozieren.
Bei Hunden ist alles anders. Sie dürfen sich nicht wehren, sollen sich alles gefallen lassen, nur dann sind sie „gute Hunde“. Mancherorts brauchen sie einen Wesenstest, um überhaupt existieren zu dürfen. In der Regel sind diese Tests so konzipiert, das sie unfairer nicht sein können. Machtspiele mit einem Tier, das uns als Sozialpartner anvertraut ist.
Da wird der Hund vereinsamt, von seiner Bezugsperson getrennt, verunsichert und Situationen ausgesetzt, die ihn ängstigen. Kein normaler Mensch würde so etwas einem Tier antun. Er wird so lange provoziert, bis er in seiner Angst nicht mehr anders kann, als zu knurren oder sich zu wehren – um dann zu sagen, dass er geknurrt oder sich gewehrt hat, was dann natürlich wieder als Beweisführung dafür gilt, dass er gefährlich ist.
Da werden Hunde von mehreren Personen bedrängt, geschubst, ja sogar getreten mit der Begründung, dies könne in einem überfüllten Fahrstuhl schließlich auch mal geschehen. Es wird mit Schlagstöcken neben ihnen auf den Boden gedroschen, dabei wild herumgefuchtelt, bis die Hunde mit weit aufgerissenen, panischen Augen versuchen zu fliehen – was durch eine sehr kurz gehaltene Leine verhindert wird. Je defensiver der Hund ist, desto dreister werden die Versuche, ihn „aus der Reserve zu locken“. Geht er schließlich nach allen erfolglosen Versuchen des Flüchtens in Abwehrverhalten über, ist dies wiederum der Beweis dafür, dass er gefährlich ist. Würden wir solchen Situationen ausgesetzt, würden die meisten von uns kläglich versagen. Wäre das dann der Beweis für unseren guten oder schlechten Charakter oder unsere potentielle Gefährlichkeit für unsere Mitmenschen?
Ich habe mir viele Videos so genannter Wesenstests angesehen und bis auf wenige Ausnahmen habe ich absurde Machtspielchen von kranken Menschen mit wehrlosen Tieren gesehen. In der Regel übrigens Menschen, deren Fachwissen über Hunde so erbärmlich ist, dass man sich fragt, mit welcher Berechtigung sie überhaupt meinen, dieses Tier, von dem sie so offensichtlich gar nichts verstehen, auf irgendetwas testen zu können.
Aber da ist noch etwas. Eine ganze Gesellschaft, die nicht protestiert. Kaum einer der es wagt, den Mund aufzumachen. Achselzucken. Sätze wie: „Ist schon alles irgendwie furchtbar, aber da kann man eben nichts machen.“ Stumme Mittäterschaft.
Wann kommt der Wesenstest für Menschen? Wer schützt die Tiere vor uns, wenn wir gefühlsarm, sozial inkompetent, verroht und gefährlich sind? Betrachtet man so einige Zeitgenossen, hat man das Gefühl, er ist schon lange überfällig.